DGfK e.V.

Deutsche Gesellschaft für Karriereberatung e.V.

Interview mit Dr. Slaghuis

Karriereziele 2016
Dr. Bernd Slaghuis, Karriere- und Business-Coach in Köln, hat Ende letztens Jahres eine
Online-Umfrage mit 1478 Teilnehmern gestartet. Sein Ziel war es, Antworten auf die
Fragen: „Wie zufrieden sind die Deutschen im Job?“ und „Welche Karriereziele verfolgen
die Deutschen?“ zu finden.
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Job? Wie definieren Sie persönlich Zufriedenheit?
Ich bin heute sehr zufrieden mit meinem Beruf. Die Entscheidung, den sicheren und
durchaus auch sehr interessanten Job zu kündigen, habe ich in den letzten 6 Jahren nicht
bereut. Natürlich scheint auch bei mir nicht jeden Tag die Sonne, aber die große Freiheit,
selbst in hohem Maß für mein schönes Wetter verantwortlich zu sein, die macht mir
ungeheure Freude und gibt mir Kraft. Ich arbeite heute vorwiegend mit Angestellten und
Führungskräften im Einzel-Coaching zu Themen rund um Karriere, Neuorientierung,
Bewerbung und Führung. Jedes Coaching ist anders, mich interessieren die Menschen,
die zu mir kommen, mit allen ihren Erfahrungen und Sichtweisen und ich bin nach wie vor
fasziniert von der Wirksamkeit, die Coaching hat. Und natürlich verändert meine Arbeit
auch mich selbst in meinem eigenen Denken und Handeln. Auch meine persönliche und
fachliche Entwicklung sind mir wichtig und sie macht mich zufrieden, weil sie heute auf
meine persönlichen Werte und Ziele im Leben und im Beruf einzahlt.
Was hat Sie auf die Idee gebracht, diese Studie durchzuführen?
Auffällig viele Klienten kommen zu mir, die traditionelle Karriere-Modelle für sich in Frage
stellen, ja sogar manchmal einen Weg suchen, gezielt einen Schritt zurück zu gehen,
indem sie etwa Führung abgeben möchten. Ich wollte herausfinden, ob diese andere,
neue Sicht auf Karriere – also weg vom sturen Klettern auf der Karriereleiter – auch in der
Breite der Bevölkerung vorhanden ist. Außerdem werden wir seit Jahren mit den Themen
Burnout, Work-Life-Balance, Stress am Arbeitsplatz vor allem in den Medien konfrontiert.
Mich interessierte, wie unzufrieden die Deutschen wirklich im Beruf sind. Ganz nebenbei
liebe ich Statistiken und kann mich Stunden in Excel-Tabellen verlieren. Eine Studie zu
entwerfen, die Daten auszuwerten, meine Schlüsse daraus zu ziehen, das machte auch
einen gewissen persönlichen Reiz aus – Stichwort Sonnenschein ;
Mit welchen Ergebnissen haben Sie gerechnet?
Ich habe mit einer relativ hohen Unzufriedenheit der Angestellten gerechnet, denn wo ich
auch hinhöre – auch im privaten Umfeld – fast jeder jammert über Überstunden, nervige
Kollegen oder ungerechte Chefs. Viele Kommentare bei mir im Karriere-Blog sprechen
auch diese Sprache. Bei der Frage, wofür Karriere heute steht, hatte ich damit gerechnet,
dass der Trend von Status und Macht weg geht und es andere Werte sind, die heute
zählen. Dass das Ergebnis jedoch so eindeutig ausfällt, damit hatte ich nicht gerechnet.
Ich habe auch gefragt, wie hoch die Bereitschaft ist, im Beruf kürzer zu treten oder
Verantwortung abzugeben und hier auch mit Zustimmung gerechnet, wenn auch nicht so
hoch.
Welche Ergebnisse haben Sie am meisten erstaunt?
Die Deutschen sind mehrheitlich zufrieden mit ihrer beruflichen Entwicklung der letzten
drei Jahre. Knapp drei Viertel der Teilnehmer erklärte, sie seien zufrieden bis hoch
zufrieden in ihrem aktuellen Job. Das war für mich wirklich ein sehr überraschendes
Ergebnis. Der Blick in die Altersgruppen ist interessant: Die Zufriedenheit ist bei jungen
Menschen unter 30 Jahren mit 82% am höchsten ausgeprägt. Den größten Job-Frust
verspüren die 40-49-Jährigen. Hier sagen nur 61%, dass sie mittel bis sehr zufrieden sind,
15% gaben an, dass sie völlig unzufrieden mit ihrer Karriere-Entwicklung sind. In der
Altersgruppe über 50 Jahren steigt die Job-Zufriedenheit mit 73% wieder deutlich an, doch
auch der Anteil der völlig Unzufriedenen bleibt in dieser Altersgruppe mit 14% auf hohem
Niveau.
Ein weiteres für mich unerwartetes Ergebnis: Auffällig hoch ausgeprägt ist der Wunsch
nach Sicherheit im Beruf besonders bei jungen Menschen unter 30 Jahren. Das scheint
zunächst dem Bild der sogenannten Generation Y zu widersprechen, das in der
Öffentlichkeit gezeichnet wird. Doch auch im Karriere-Coaching mit Absolventen und
Berufseinsteigern erlebe ich, dass sie sich zwar mehr Flexibilität, Entscheidungs- und
Handlungsfreiheit im Beruf wünschen, doch hierfür von ihren Chefs auch feste Leitplanken
benötigen, die ihnen Halt und Orientierung und damit Sicherheit in einem zunehmend
durch Komplexität, Dynamik und Schnelligkeit geprägten Umfeld geben.
Was sind die wichtigsten Karriereziele für 2016?
Das Verständnis von Karriere hat sich gewandelt: Selbstverwirklichung, Herausforderung
und Anerkennung sind Werte, die 70% der Studienteilnehmer heute mit Karriere
verbinden. Auf den letzten Plätzen rangieren Einfluss, Status und Wettbewerb. Sinn,
Erfüllung und Zufriedenheit haben Geld und Status als Erfolgskriterien einer guten
Karriere für die meisten Angestellten abgelöst.
Ganz oben bei den beruflichen Zielen 2016 steht Neues lernen mit 75% hoher und sehr
hoher Zustimmung. Der Trend zum lebenslangen Lernen scheint in der Breite
angekommen zu sein. Hinzu kommt sicherlich auch das Bewusstsein vieler Angestellter,
sich im Beruf fit zu halten und so attraktiv für den Arbeitsmarkt zu bleiben.
Auf Platz 2 rangiert „mehr Geld verdienen“ mit 62% hoher oder sehr hoher Zustimmung.
Auch wenn ich in der Karriereberatung häufig höre, dass Geld nicht alles ist und meine
Klienten dies in einer Phase der Neuorientierung als nachrangig wichtig für den nächsten
Karriere-Schritt beurteilen, nimmt es doch für die persönlichen Ziele in der Breite der
Bevölkerung einen hohen Stellenwert ein.
Um die eigenen Karriereziele zu verfolgen, scheinen aktuell viele Angestellte den Wechsel
ihres Arbeitgebers in Betracht zu ziehen: 32% der Befragten gaben an, mit hoher
Wahrscheinlichkeit in diesem Jahr wechseln zu wollen, 24% scheinen dies sogar sehr
konkret zu planen. 29% nehmen sich für dieses Jahr vor, in eine andere Position im
aktuellen Unternehmen zu wechseln. Zufriedenheit allein scheint damit kein Grund mehr
zu sein, sich an einen Arbeitgeber zu binden.
Welchen Tipp haben Sie für unsere Leser?
Ich erlebe in der Karriereberatung viele Menschen, die ihre Werte und Ziele aus dem Blick
verloren haben und heute in einem Arbeitsumfeld und in Berufen stecken, die nicht mehr
zu dem passen, was ihnen eigentlich so wichtig ist. Unzufriedenheit ist die Folge. Daher
mein Tipp: Machen Sie regelmäßig – vielleicht einmal im Jahr – ein Update Ihrer Werte
und Ziele. Überlegen Sie sich, was Ihnen im Beruf und auch im Leben heute und in den
nächsten Jahren besonders wichtig ist und passen Sie Ihren beruflichen Weg bei Bedarf
daran an. Häufig sind es sogar die kleinen Stellschrauben, die große Effekte haben.
Selbstverantwortung finde ich wichtig. Seien Sie nicht Opfer der Umstände, sondern
Gestalter Ihres eigenen Lebens. Viele Angestellte unterschätzen ihre heutigen
Möglichkeiten, auch in einem abhängigen Arbeitsverhältnis Dinge positiv zu verändern.


Die ausführliche Dokumentation der Studienergebnisse können Interessierte bei
Bernd Slaghuis kostenlos anfordern (mail@bernd-slaghuis.de).
www.bernd-slaghuis.de

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